„Klima-RAF“?! und Lina E.?! Erschreckend ist vor allem der Umgang mit den Betroffenen.

Die verbale Gewalt bereitet den polizeilichen Durchgriff vor: Wer die militanten 1968er erlebt hat, muss vor dem Wortschatz, mit dem die Klimaaktivisten und Lina E. jetzt bedacht werden, nur erschrecken.

Dobrindt - der Urvater der Formulierung "Klima - RAF"

 

Klima-Terroristen oder gar: Klima-RAF! Die Geduld gegenüber den jungen Menschen, die auf die Straße gehen, ist vorbei. Die Politik weiß sich einig mit „dem Volk“, das einer Umfrage zufolge die Aktionen der Letzten Generation mehrheitlich ablehnt. Einig sind sich alle, dass es nicht angeht, den Lebenskreislauf des Kapitalismus (auf der Straße) zu behindern oder seine symbolische Reproduktion (Bildersturm aufs Grundgesetz-Denkmal) herauszufordern.

Für die Eskalation sorgen schließlich diejenigen, die schon in der Jungen Union mit dem Phantasma einer bedrohten „inneren Sicherheit“ aufgewachsen sind wie CDU-Chef Friedrich Merz. Oder offenbar einfach keine Ahnung haben, was der Unterschied ist zwischen Klimaschützern, der ANTIFA, den Taliban, einer „kriminellen Sekte“, der RAF oder den Nazis. Lässt sich alles nachlesen, durchaus von prominenten Leuten. Wer völlig verblödet im Trüben fischt, redet ohnehin nur von „Abschaum“.

Als ziemlich unernstes Spektakel hat einmal die 1968er-Bewegung begonnen angesichts eines staatlich herbeifantasierten „Notstands“. Ihm verdanken wir eine in Westdeutschland damals unvorstellbar mental-kulturelle Erneuerung. 1977 fühlte sich das politische Wachbataillon in Bonn schließlich so bedroht von der RAF, „dass gegen sie der strafrechtliche Grundgedanke der Abschreckung versagt“, so der damalige SPD-Kanzler Helmut Schmidt, „und nun der der inneren Sicherung bestimmend sein muss. Wir müssen sie hinter Schloss und Riegel bringen“.

Ich erschrecke, wenn ich solche Sätze wieder lese und sie mit dem vergleiche, was die Nachrichten über die Letzte Generation heute prägt und den Umgang mit ihr. Der verbalen Gewalt folgt der polizeiliche Durchgriff. Gesellschaftliche Fehlentwicklungen entstehen nicht über Nacht, sie fangen irgendwo an und führen dann irgendwo hin. Die Solidaritätsbekundungen für Lina E. sind auch ein Indiz dafür, dass die Kommunikation lebt und sich immer schnell Follower anschließen. Keiner findet es aber legitim, "Nazis" mit Hammer und Schlagstock halbtot zu prügeln oder nicht-linke Andersdenkende in etwa gleiche Schubladen einsortiert werden.

16 Prozent „Sympathisanten“?

So etwas noch einmal zu erleben, haben sich viele Angehörige meiner Generation, die aus den militanten 1968er Jahren gelernt haben und die Strategien gewaltlosen und zivilen Ungehorsams in den unterschiedlichsten Bewegungen miterarbeitet und kultiviert haben, nicht vorstellen können. „Sympathisant“ war einmal das Verdikt, das alles kosten konnte, Familie, Karriere, Freiheit. Sind die 16 Prozent, die sich laut Umfrage zu den Protesten der Letzten Generation bekennen, auch Sympathisantinnen? Weil sie allzu gut verstehen, dass die Aktivisten keine andere Möglichkeit sehen, als spektakulär auf das Problem aufmerksam zu machen? Weil alles andere im virtuellen Raum verdampft oder zerrieben wird in der Mühle der parlamentarischen Demokratie? Doch in diesem Fall droht kein bleierner Herbst, sondern ein Hitzesommer, den wir alle zu spüren bekommen.

 

...eingestellt von HAM am 01.06.2023

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